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KI
Von Tim Heymann
08.02.2024
Im Personalwesen hat sich in den letzten Jahren vieles verändert – und das Jahr 2025 markiert einen Höhepunkt in Sachen Künstliche Intelligenz (KI). Einer aktuellen Analyse zufolge* haben inzwischen 43 Prozent der DAX-40-Konzerne eigene Ethik-Beauftragte für KI eingesetzt. Diese neuen Rollen sollen sicherstellen, dass Algorithmen fair agieren, nachvollziehbar sind und vor allem Menschen nicht benachteiligen. Aber was steckt genau dahinter? Und welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich daraus für Unternehmen?
*Die genannten Zahlen stammen aus der Studie „Trends in Vergütung und HR 2024/25“ der Beratungsgesellschaft Lurse. Darin werden sowohl der Einsatz von KI in Personalabteilungen als auch aufkommende ethische Fragestellungen beleuchtet.
Wieso KI-Ethik im Personalwesen eine so große Rolle spielt
Wenn KI bei der Rekrutierung, bei Leistungsbeurteilungen oder im Talentmanagement eingesetzt wird, lassen sich oft enorme Vorteile erzielen: Prozesse laufen schneller, Entscheidungen basieren stärker auf Daten und immer wiederkehrende Aufgaben können automatisiert werden. Gleichzeitig können solche Systeme aber auch ungewollte Vorurteile verstärken. Studien haben gezeigt, dass KI-Modelle – abhängig von den Daten, mit denen sie trainiert wurden – bestimmte Gruppen benachteiligen können, zum Beispiel aufgrund von Geschlecht oder Herkunft.
Ein typisches Beispiel: KI-basierte Rekrutierungstools, die unbewusst männliche Kandidaten bevorzugen, weil ihnen historische Daten genau das „beibringen“. Wenn in der Vergangenheit Männer häufiger eingestellt wurden, erkennt das System ein entsprechendes Muster und reproduziert es. Auch Technologien wie „Emotion AI“, die vermeintlich an Gesichtsausdrücken oder Stimmlagen Gefühle ablesen, sind umstritten. Sie stellen oft die Frage, ob sie einerseits die Privatsphäre verletzen und andererseits diskriminierend wirken können.
Reaktionen der DAX-40-Unternehmen auf das Thema KI-Ethik
Deutsche Großunternehmen haben das Problem erkannt. Fast die Hälfte der DAX-40-Konzerne hat nach aktuellen Erhebungen bereits Fachleute oder Gremien benannt, die sich um ethische Richtlinien für KI kümmern. Diese Expertinnen und Experten achten darauf, dass Algorithmen regelmäßig auf mögliche Verzerrungen (Bias) hin überprüft werden und dass sie möglichst nachvollziehbar bleiben.
Ethik-Beauftragte und Governance-Strukturen
Diese neuen Rollen sind zuständig für alle Fragen rund um KI-Transparenz und Fairness. Sie prüfen, woher die Daten stammen und wie sie ausgewertet werden. Zudem legen sie fest, wie oft Audits durchgeführt werden sollten.
Richtlinien für verantwortungsbewusste KI
Größere Konzerne wie Siemens oder die Deutsche Telekom haben bereits umfangreiche Leitfäden entwickelt, um beim Umgang mit KI klare Regeln vorzugeben. So setzt Siemens etwa auf „erklärbare KI“, um die Entscheidungsprozesse sichtbar zu machen. Die Telekom wiederum verfolgt mit dem „House of Digital Responsibility“ einen ganzheitlichen Ansatz, der verschiedene Unternehmensbereiche einbezieht.
Regelmäßige Audits
Durch Audits wollen Unternehmen sicherstellen, dass sie keine diskriminierenden Muster übersehen. Das ist umso wichtiger, weil die EU derzeit an einer Verordnung arbeitet, die vor allem sogenannte Hochrisiko-KI-Systeme sehr streng regulieren dürfte. Dabei werden Transparenz, Datenschutz und faire Algorithmen großgeschrieben.
Die größten Stolpersteine bei der Umsetzung
Trotz der Fortschritte kämpfen Unternehmen weiterhin mit einigen Herausforderungen:
Verzerrte Daten und daraus resultierende Algorithmen
Voreingenommene Daten führen häufig zu diskriminierenden Ergebnissen. Wenn historische Datensätze eine Tendenz haben, bestimmte Gruppen zu bevorzugen, setzt sich dieser Effekt in den KI-Modellen fort.
Transparenz und Akzeptanz
Einer Umfrage von Deloitte zufolge sind nur 38 Prozent der Mitarbeitenden wirklich offen für KI-basierte HR-Prozesse. Vor allem mangelnde Transparenz schafft Skepsis – wenn Mitarbeitende nicht nachvollziehen können, wie ein Algorithmus zu seiner Empfehlung gelangt, sinkt das Vertrauen erheblich.
Regulatorische Anforderungen
Die geplante EU-KI-Verordnung stellt besonders hohe Ansprüche an Unternehmen, die KI in Bereichen wie Personalmanagement einsetzen. Es wird voraussichtlich vorgeschrieben sein, wie Daten genutzt und gespeichert werden dürfen und welche Informationspflichten gegenüber Betroffenen gelten.
Fehlende Kompetenzen
Personalabteilungen müssen sich mehr denn je mit Datenanalyse und technischen Aspekten auseinandersetzen. Viele benötigen zusätzliche Schulungen, damit sie KI-Systeme nicht nur verstehen, sondern auch sinnvoll steuern und kontrollieren können.
Welche Chancen bietet eine ethische KI?
Trotz aller Schwierigkeiten liegen in einer bewusst ethischen Nutzung von KI enorme Potenziale:
Mehr Vielfalt und Chancengleichheit
Durch den gezielten Einsatz von fairen Algorithmen kann die Diversität in Teams gesteigert werden. IBM berichtete beispielsweise, dass es gelungen sei, Verzerrungen in der Rekrutierung um etwa 30 Prozent zu reduzieren, nachdem entsprechende Richtlinien zur KI-Anwendung eingeführt wurden.
Stärkere Arbeitgebermarke
Unternehmen, die glaubwürdig darlegen können, dass sie KI verantwortungsbewusst einsetzen, wirken attraktiver für Bewerberinnen und Bewerber – gerade in Branchen, in denen talentierte Fachkräfte rar sind.
Effizienzgewinne bei gleichzeitiger Vertrauensbildung
Wenn die eingesetzten Tools transparent funktionieren und Mitarbeitende nachvollziehen können, wie eine Entscheidung zustande kommt, steigt das Vertrauen. Das erlaubt es, sowohl Ressourcen zu sparen als auch die Belegschaft mitzunehmen.
Fazit
KI verändert das Personalwesen tiefgreifend – und die Frage nach Ethik und Verantwortung ist dabei längst kein Nischenthema mehr. Viele große Unternehmen haben sich bereits auf den Weg gemacht und feste Strukturen geschaffen, um Künstliche Intelligenz fair und transparent einzusetzen. Doch dieser Prozess ist nicht abgeschlossen: HR-Teams müssen sich kontinuierlich weiterbilden, die Datenqualität verbessern und neue Compliance-Vorgaben einhalten.
Langfristig kann sich das Engagement jedoch auszahlen. Firmen, die auf verantwortungsvolle KI-Lösungen setzen, profitieren von verlässlicheren Entscheidungen, einer starken Arbeitgebermarke und einer Belegschaft, die auf Augenhöhe in die Gestaltung der Zukunft einbezogen wird.
Bridges unterstützt Unternehmen aus den Bereichen Legal, Finance und Advisory dabei, durchdachte KI-Strategien zu entwickeln. Unser Schwerpunkt liegt darauf, KI-Prozesse in HR so zu gestalten, dass Verzerrungen minimiert werden und Compliance-Anforderungen erfüllt sind.
Quellen und weitere Informationen
SAP Blog: „Ethics Rules HR Leaders Can Take to the C-Suite“
Refer Me: „Ethical AI for HR“
Complion.de: „Der Umgang mit Künstlicher Intelligenz in DAX-Unternehmen“
People Management: „HR’s Role in Making Sure AI is Ethical“
Deutsche Telekom Corporate Responsibility Report